12. SONNTAG im Jahreskreis

Evangelium nach Markus (4,35-41)

Haben Sie schon einmal über ihre Ängste, ja ihre Lebensängste nachgedacht? Angst ist eine menschliche Urerfahrung, die jeder von uns kennt. Einerseits ist Angst wichtig, denn sie ist eine tief-emotionale Reaktion auf reale und mögliche Gefahren, die uns bedrohen: Naturkatastrophen, Schicksalsschläge, Krankheiten, Verlust von der Arbeit, von Besitz, Verlust von einem geliebten Menschen. Wir haben Angst vor allem, was unsere Existenz bedroht, beeinträchtigt, uns in die Enge treibt. Diese Angst kann aber auch zu panischer Angst werden, die unser ganzes Leben durcheinanderbringt.

Es gibt auch Menschen, die behaupten: Die Angst ist der Ursprung von der Religion. Immer wenn Menschen sich durch Natur- und andere Kräfte, die sie nicht erklären konnten, bedroht fühlten, haben sie geglaubt, dass diese bedrohlichen Einflüsse von irgendwelchen übernatürlichen Kräften, von Göttern kamen, die sie verärgert hatten und die diese Katastrophen dann als Strafe schickten. Deswegen musste man diesen Göttern, um ihren Zorn abzuwenden, mit irgendwelchen Opfergaben besänftigen.

In der Bibel aber ist der Satz „Habt keine Angst. Fürchtet euch nicht", genau 365 Mal überliefert. Und warum sollten wir keine Angst haben? Zu Mose sagt Gott: „Ich bin der „Ich-bin-da“. Es gibt nie einen Augenblick in deinem Leben, in dem ich nicht bei dir wäre, in dem ich nicht gegenwärtig wäre. Beim Propheten Jesaja sagt Gott: „Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergessen würde: Ich (Gott) vergesse dich nicht. (Jes 49,15)

Daran will nun der Evangelist Markus mit seiner Erzählung vom Seesturm seine christliche Gemeinde erinnern. Sie ist eine winzige Glaubensgemeinschaft, die sich in einer heidnischen Umwelt vorkommt, wie in einem kleinen Boot auf stürmischer See. Sie hat Angst unterzugehen. Können wir das nicht, in unserer Zeit, in unserer Situation irgendwie nachempfinden?

Schon im Alten Testament wird von Gott gesagt: „Er macht aus dem Sturm ein Säuseln, so dass die Wogen des Meeres schweigen“ (Ps 74). Jesus sagt: „Schweig! Sei still!“ Da legte sich der Sturm, und es wurde ganz still. „Warum habt ihr solche Angst?“, fragt Jesus seine Jünger. Warum glaubt ihr, dass Gott in den „Stürmen eures Lebens“ schläft, nicht da ist? Warum seid ihr so kleingläubig? - Für Jesus ist Glaube Vertrauen in Gott. 

Um dem oft Absurden in der Natur, in der Wirklichkeit, in der menschlichen Geschichte, in den Erfahrungen von so viel Leid und Elend standhalten zu können, brauche ich Gott im Hintergrund. Wir brauchen in unserem Leben einen Halt, einen Trost, eine Begleitung für unser winzig kleines Leben, um in dieser Welt behütet, beschützt und ohne ein Übermaß an Angst leben zu können. Ich existiere, weil Gott ist!

Wer sich in seinem Leben wie Jesus von Gott gehalten und getragen weiß, kann aus dieser Gewissheit heraus seine Ängste bewältigen. Jesus vertraut Gott und dieses Vertrauen schenkt ihm die Gelassenheit, die ihm hilft, richtige Entscheidungen zu treffen und dementsprechend zu handeln. Die Gefahren und Bedrohungen bleiben. Gott schafft sie nicht aus der Welt, aber wir lernen mehr gelassen mit unseren Ängsten umzugehen, nicht von ihnen überwältigt zu werden.

Das heutige Evangelium ermutigt uns, nicht aufzugeben, auch wenn wir den Eindruck haben, Gott schläft und hört unser Beten nicht. Er ist da und befreit uns, als einzelner Mensch und als Glaubensgemeinschaft, von unserer Angst unterzugehen.

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